Wirkung von Ketonkörpern auf das Immunsystem

Dr. Simon Hirschberger: Wirkung von Ketonkörpern auf das Immunsystem

Beim Infotag Exogene Ketone in Darmstadt stellte Dr. Hirschberger aktuelle Ergebnisse seiner Forschung vor. Die bisherigen Ergebnisse zeigen: Die bei der ketogenen Ernährung in der Ketose entstehenden Ketonkörper haben nachweisbar deutlich leistungssteigernde Effekte auf das Immunsystem und hemmen entzündliche Prozesse. Dr. med. Simon Hirschberger hat der Vorsorge-Expertin Dr. Bettina Taschke nach dem Vortrag ein Interview gegeben.

Wirkung von Ketonkörpern: „Abwehrzellen des Immunsystems deutlich leistungsfähiger“

Dr. Bettina Taschke: Sie haben in Ihrem Vortrag die Vorteile der ketogenen Ernährung und der dabei entstehenden Ketone insbesondere bei Infektionen, Autoimmun-Erkrankungen und Krebserkrankungen beschrieben. Können Sie ganz kurz erklären, wodurch die zustande kommen.

Dr. Simon Hirschberger: Wenn man es ganz kurz zusammenfasst: Diese ganz unterschiedlichen Erkrankungen haben eine Gemeinsamkeit. Sie werden wesentlich beeinflusst durch eine fehlgesteuerte Entzündungsreaktion im Körper. Dazu kommt häufig – zumindest bei Infektionen, schweren Infektionserkrankungen und Tumoren – eine Schwächung der spezifischen Abwehr. Und das sind genau die beiden Punkte, die durch eine ketogene Diät, die durch Ketonkörper verbessert werden.

Das sind Dinge, die wir bereits evidenzbasiert wissen: Dass die T- Zellen-Immunität des Menschen, dass T-Zellen als ganz entscheidende Abwehrzellen des menschlichen Immunsystems, deutlich leistungsfähiger wird. Und man weiß, dass durch die ketogene Diät – das haben mehrere Studien zeigen können – diese unspezifischen, dauerhaften Entzündungseffekte deutlich gemildert werden: Also eine Steigerung der Abwehr, wo wir sie brauchen, und eine Kontrolle und Reduktion dieser nicht sinnvollen ungerichteten Entzündungsreaktionen. Das sind die beiden großen Bausteine, die positive Effekte in diesen komplett unterschiedlichen Krankheitsbildern durch Ketonkörper verursachen können.

„Exogene Ketone können eine wertvolle Ergänzung sein“

Dr. Bettina Taschke: Sie haben in ihrem Vortrag die Vorteile der ketogenen Ernährung erläutert. Meine Frage: Sind diese Vorteile auch auf die Wirkung von exogenen Ketonen zu übertragen?

Dr. Hirschberger: Man muss dazu sagen, dass wir für die Einnahme von exogenen Ketonen noch große Studien brauchen, wie wir sie (an der Ludwig-Maximilian-Universität München) für die ketogene Diät bereits gemacht haben, um die Effekte dann auch wissenschaftlich und evidenzbasiert, darstellen zu können.

Entscheidend wird bei exogenen Ketonen sein, wie ich Sie einsetze. Wenn ich Sie verstehe als ein Medikament, das ich nehme und ansonsten kann ich mich ernähren, wie ich will: Dann muss man kein Prophet sein, um zu sehen, dass das nicht funktionieren wird. Wenn man exogene Ketone aber einsetzt, um Phasen der Ketose schneller und einfacher zu erreichen, aufrechtzuerhalten, vielleicht auch gelegentlich, oder in Kombination mit Phasen, in denen man die ketogene Diät intervallmäßig einsetzen möchte: Dann können exogene Ketone eine wertvolle Ergänzung sein. Es ist aber wichtig, dass auch wissenschaftlich zu begleiten, um eine fundierte Basis für die Forschung über die Wirkung von exogenen zu haben.

„Was wir brauchen, sind gute Studien“

Dr. Bettina Taschke: Die Vorteile der ketogenen Ernährung (siehe auch: Was ist Ketose?) und die positive Wirkung von Ketonkörpern sind – auch anhand Ihrer Forschung – nicht von der Hand zu weisen. Es spricht also viel für kohlenhydratarme Ernährung. Wie ist denn zu bewerten, dass angesehene Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung trotz alledem den Konsum von Kohlenhydraten (empfehlen) in einer recht ordentlichen Menge?

Dr. Hirschberger: Aus wissenschaftlicher Sicht muss man festhalten: Diese Ernährungsempfehlungen sind sehr alt. Sie resultieren aus Daten des 20. Jahrhunderts. Und: Der Großteil dessen, was man zu wissen glaubt, basiert auf epidemiologischen Ernährungsstudien. Die schauen sich das Verhalten von Menschen über einen langen Zeitraum an – und das mit gelegentlichen Fragen, teilweise im Abstand von vielen Jahren. Das sind Studien, die häufig gar nicht dafür gemacht wurden, Fragen der Ernährung überhaupt zu klären. Deswegen ist die Datenlage extrem schlecht – und rechtfertigt nicht, eine spezifische Prozentzahl oder eine sehr hohe Prozentzahl an Kohlenhydraten so unwiderruflich zu propagieren.

Was wir brauchen, sind gute Studien, die auf Ernährungs-Fragestellungen fokussieren. Die das Ziel haben, kontrolliert zu untersuchen: Was essen die Menschen Essen? Studien, die klare Fragen stellen und mit valider Methodik antworten. Erst aus solchen Studien wird man schließen können, welche genauen prozentualen Bereiche der einzelnen Makronährstoffe für das Gros der Bevölkerung, für Primärprävention beispielsweise, ideal sind. Oder man wird feststellen, dass es das eine ideale Ernährung für alle Lebensphasen vielleicht gar nicht gibt – und das angepasst werden muss, je nachdem in welcher Phase der Mensch sich befindet.